Clean IT: Die EU will den totalen Überwachungsstaat

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    • Clean IT: Die EU will den totalen Überwachungsstaat

      Kaum ist der Jubel der Bürgerrechtler und Netzaktivisten über das Aus für ACTA verstummt, plant die EU ein neues Projekt, das eine Kontrolle des Internets vorsieht, wie sie bislang höchstens in totalitären Staaten vorstellbar war.

      Die Rede ist vom Clean IT Project. Das wird von der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström finanziert und soll abseits bestehender Gesetze "Richtlinien oder Gentlemen's Agreements" zwischen Regierungen und der Internet-Wirtschaft erarbeiten. Da die Vergangenheit gezeigt habe, dass es schwierig sei, Gesetze zur Überwachung des Internets auf den Weg zu bringen, solle jetzt der Ansatz gewählt werden, dass sich Provider und ähnliche Dienstleister auf freiwilliger Basis verpflichten, den Kontrollwünschen der EU nachzukommen.

      Und das Verlangen nach Kontrolle ist seit den gescheiterten Versuchen wie Netzsperren und ACTA nicht geringer geworden, sondern eher exponentiell gestiegen. Ein als geheim deklarierter Entwurf für die Ziele von Clean IT wurde jetzt von European Digital Rights veröffentlicht und offenbart ebenso weitreichende wie absurde Forderungen des Teams der EU-Kommissarin. Als Rechtfertigungsgrund muss dafür stets der Kampf gegen den Terror herhalten, ohne dass jemals definiert wird, welche Aktivitäten unter diesen Begriff fallen.


      [h=2]Netzsperren, Klarnamen-Zwang, Filtersystem – alles inklusive[/h]
      In dem Dokument finden sich unter anderem folgende Vorschläge, nach denen sich die Regierungen der EU-Länder sowie die Betreiber von Internet-Infrastruktur und Internetdiensten richten sollen:

      • Verlinkungen auf Websites mit terroristischem Inhalt sollen genauso für illegal erklärt werden, wie die terroristischen Inhalte selbst.
      • Strafverfolgungsbehörden sollen Internet-Provider auffordern können, Inhalte zu entfernen, ohne dabei die [bislang erforderlichen] arbeitsintensiveren und formellen Vorgänge für die Löschung von Inhalten befolgen zu müssen.
      • Richtern, Staatsanwälten und selbst Polizisten muss es erlaubt sein, terroristische Inhalte aus dem Internet entfernen zu lassen.
      • Die Internet-Provider müssen ein automatisches Filtersystem implementieren, das "Logos, Inhalte (Videos, Bilder und Publikationen), IP-Adressen, Namen, E-Mail-Adressen, Hyperlinks und Schlüsselwörter (ideologische Termini und Flüche) bekannter Terrororganisationen" erkennt. Zudem müssen sie dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn sie nicht rigoros genug filtern oder die von dem Filtersystem erkannten Inhalte nicht schnell genug löschen.
      • Die Regierungen sollen spezielle Internet-Polizisten ausbilden, die unter anderem in Sozialen Netzwerken "patroullieren".
      • Die Internet-Provider sollen die Möglichkeit zur Sperrung von Webseiten implementieren. Die Stopp-Seite, die beim Aufruf einer blockierten Website angezeigt wird, soll den Grund der Sperrung anzeigen und von welcher Organisation die Sperrung veranlasst wurde.
      • Die Betreiber von Sozialen Netzwerken, Chats, E-Mail-Diensten, Messaging-Diensten, Voice-over-IP-Diensten und Internetforen sollen verpflichtet werden, nur Registrierungen mit realem Namen zu erlauben.
      • Soziale Netzwerke dürfen nur reale Bilder von ihren Nutzern zulassen, also keine Avatare.
      • Auf europäischer Ebene soll in die Browser oder Betriebssysteme ein Alarmknopf zur Meldung verdächtiger Aktivitäten eingebaut werden. Das Betätigen des Knopfes alarmiert zunächst die betroffene Internet-Firma, die dann handeln soll. Einige Zeit später wird dann von den Strafverfolgungsbehörden überprüft, ob das Einschreiten des Providers, Chat-Betreibers, o.ä. ausreichend war.
      • Welche Internet-Provider noch öffentliche Aufträge bekommen, soll davon abhängen, wie gut sie die Clean IT Richtlinien umsetzen.






      [h=2]Kampf gegen den Terror ist nur der Anfang[/h]
      Bereits die Vergangenheit hat gezeigt, dass schon manches Projekt mit dem Totschlag-Argument "Terror" auf den Weg gebracht wurde und hinterher für alles Mögliche, nur nicht für den Kampf gegen den Terror verwendet wurde. So wird beispielsweise immer wieder argumentiert, dass die Telekommunikationsüberwachung gebraucht werde, um den Terrorismus effektiv zu bekämpfen. Tatsächlich aber wurden im Jahr 2011 mehr als 21.000 Telefonanschlüsse, Handys und Internetanschlüsse überwacht, aber lediglich 54 davon wegen des Verdachts terroristischer Aktivitäten (Quelle). Deutlich häufiger ging es um Verbrechen wie Mord und Totschlag, Bandenkriminalität und Raub oder Erpressung (insgesamt gut 3.300 Abhöraktionen). Die überwiegende Mehrzahl aller Abhöraktionen galt jedoch Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (mehr als 6.500 Fälle) und auch gegen mutmaßliche Steuersünder (ca. 1.000) und selbst gegen Personen, die eventuell die öffentliche Ordnung gestört haben (344) wurde der große Lauschangriff viel häufiger gestartet, als gegen vermeintliche oder echte Terroristen.

      Daher gilt es, das Clean IT Project zu stoppen, solange es noch in den Kinderschuhen steckt. Denn sollte eine derart komplexe Überwachungsstruktur jemals Wirklichkeit werden, so dürfte sie extrem schnell auch abseits des Kampfes gegen den Terror viele Begehrlichkeiten wecken.



      Quelle:-:Chip
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