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BEOBACHTUNG
Die Stille ist unheimlich. Einst war das Dorf ein endloser Strudel voller Aktivität, aus dem der Chor der Spitzhacken, der rollenden Loren und der Rufe der Arbeiter das Lied von Kalamanda jeden Moment des Tages erklingen ließ. Nun ist es totenstill, nicht einmal das weit entfernte Schreien der Vögel oder das Flüstern des Windes zwischen den Grashalmen ist mehr zu vernehmen. Über allem schimmert eine blaue Blase, die alles Leben in ihrem Inneren, ungeachtet der Niedertracht oder der Unschuld in den Herzen der Eingeschlossenen, umgibt.
Plötzlich bricht der Boden im Zentrum des Dorfes auf. Die Bergungstruppe der Liga, die in Kalamanda stationiert ist, ist vollkommen unvorbereitet und blickt erstaunt, als ein gefährlich scharfer Kristall aus dem Boden auftaucht. Für einen Augenblick hält er inne, als würde er die Luft schmecken, und schießt dann plötzlich auf die in der Nähe stehenden Menschen los. Sie schaffen es gerade noch, aus dem Weg zu springen, stolpern dabei aber übereinander, während der Rest des Körpers, der mit dem Kristall verbunden ist, sich durch den Schmutz gräbt.
Es ist eine gewaltige Kreatur, die aus den wertvollsten Edelsteinen der Erde gefertigt zu sein scheint. Das Licht bricht sich in jeder Facette seines gegliederten Körpers, ein Glorienschein, der das zur Welt kommen der unnatürlichen Kreatur bekrönt. Bedrohliche Scheren schlagen nach den Menschen und schnappen nach allem, das ihnen im Weg ist. Die Liga-Truppe verteidigt sich so gut sie kann, während sie hoffnungslos brüllt, sie würde sich ergeben.
Der Kristallskorpion bringt ein kehliges Brüllen hervor, das ebenso zornes- wie leiderfüllt wirkt.
BETRACHTUNG
Skarner hastete durch die Kriegsakademie, wobei seine Gliedmaße verkrampft waren, da er versuchte zu vermeiden, sich Schrammen von den schmalen Fluren zu holen. Es half auch nicht, dass Menschen sich am Rande seines Weges versammelten und ihn anstarrten, anstatt für ihren unerwarteten Besucher Platz zu machen. Eine Eskorte geleitete ihn durch zwei riesige Flügel einer Tür, hinter der ein Mensch ganz allein in einem dunklen Raum wartete. Er war erleichtert, den neugierigen Augen entkommen zu sein, auch wenn er wusste, dass das, was nun kommen sollte, noch weitaus tiefer in ihn hineinhorchen würde.
Die aufrechte Haltung des Menschen verriet seine Absicht noch bevor er zu sprechen begonnen hatte.
„Ich bin Bertrand Wordsworth, Bewahrer der Geschichte im Arcanum Majoris. Es ist eine unglaubliche Ehre, einen deiner Art zu treffen. Ich habe in all meinen Studien niemals etwas über die Brackern gelesen.“ Bertrands Augen bewegten sich hastig, um Skarners eindrucksvolle Gestalt zu erfassen.
„Dann scheint es, als hätten die Menschen nicht nur versucht, unsere Spezies zu vernichten, sondern auch noch das Wissen darüber, dass wir überhaupt existiert haben“, antwortete Skarner gleichmütig.
Der Historiker errötete: „Bitte entschuldige, dass ich so direkt war. Ich habe nicht nachgedacht …“
„Nein. Ich bin es, der sich entschuldigen sollte.“ Skarners Kiefer klappten zusammen. „Vergib mir. Diese neue Welt ist so seltsam und der Kummer vergangener Jahrhunderte ist noch so frisch in meiner Erinnerung.“
„Das ist verständlich.“
„Sollen wir dann also weitermachen mit euren Ritualen der Bewertung?“ Der Brackern wollte schnell wegkommen.
„Ganz im Gegenteil, deine kleine Vorstellung in dem Dorf, zusätzlich zu unseren Gesprächen, hat bereits all unsere Fragen bezüglich deiner Eignung für die Aufnahme in die Liga beantwortet. Deine Hingabe, dafür zu kämpfen, dass deine Art zurückkehren kann, ist ehrbar. Zudem ist es besonders spannend für uns, jemanden, der so einzigartig ist wie du, in unsere Organisation aufzunehmen.“ Er zögerte.
„Aber du möchtest etwas über die Geschichte der Brackern erfahren.“
„In der Tat.“ Bertrand hob eine Schriftrolle empor, die er in der Hand hielt. „Ich habe hier einen Zauberspruch, der uns in der Zeit zurückreisen lässt …“
Einen Moment lang antwortete der Kristallskorpion nicht. Das Verlangen, seine Brüder wiederzusehen, war zu stark, als dass er es hätte ignorieren können, doch er kannte den Preis. Er nickte zustimmend.
Ein Energieschwall durchzog den Raum. Plötzlich sah Skarner die Welt wieder, wie sie einst gewesen war.
Der kalte Schmutz der Erde umgab ihn, ein behagliches Gefühl auf seinen müden Gliedern. Er wurde sich der Erschöpfung und des Wahnsinns bewusst, die ihn erfüllten – er befand sich in den letzten Momenten der Suche seines Lebens. Skarner hatte seine Artgenossen seit Jahren nicht gesehen, da er in die Tiefen der Berge aufgebrochen war, um den einen Kristall in der Welt zu finden, der mit der Essenz seines Lebens im Einklang schwingen würde. Skarners Verzweiflung drohte ihn zu verschlingen, nachdem er einen Kristall nach dem anderen ausgegraben hatte, der nicht ihm vorbestimmt war. Mit dem letzten Quäntchen seiner Stärke griff er mit seiner Schere in die Erde und fand endlich den Arachia, der sich für den Rest seines Lebens mit ihm vereinen würde.
Skarner grub ihn behutsam aus, Erleichterung und Ehrfurcht überschwemmten ihn und ließen ihn atemlos zurück. Der Kristall war der größte, den er jemals gesehen hatte, ganz zu schweigen von denen, die auf einen Brackern reagiert hatten. Er studierte die komplizierten Schnitzereien, die sich über jede schimmernde Facette erstreckten und staunte über die Hinterlassenschaften der Erde, die ihr Wissen jahrhundertelang in diesen Edelstein geschrieben hatte. Skarner schlang sich um den Kristall, wobei dieser zu pulsieren begann und damit all seine Ängste beschwichtigte, er würde einsam und würdelos sterben, wenn er seinen Arachia nicht gefunden hätte.
Er raunte die Worte des Bindens und fühlte, wie seine Seele begann, zu singen, als sie eins wurde mit der Erde. Seine erste Versenkung mit dem Kristall ließ ihn für Tage wie gelähmt zurück, während das Wissen vergangener Äonen durch seinen Verstand flutete. Die Stimmen der natürlichen Welt flüsterten ihm zu und teilten die Geheimnisse urtümlicher Magie und die Geschichte vergangener Jahrhunderte mit ihm. In den Jahrzehnten, die darauf folgten, kommunizierte Skarner fast jeden Tag mit dem Kristall und begann nur ansatzweise all das Wissen, mit dem er erfüllt war, zu entdecken. Skarner gab alles, was er gelernt hatte, an die anderen Brackern weiter und daraufhin nährte wiederum jede Kreatur ihren eigenen Arachia mit dem Wissen, um es so für zukünftige Brackern zu bewahren.
Dann erschütterte eine zerstörerische Explosion das Land. Skarner wusste, was als nächstes kommen würde.
Nur Sekunden später hüllte eine giftige Wolke das Tal ein und die Kristalle schwangen mit einem fremdartigen Glühen. Ein schrilles Summen schwoll zu einem ohrenbetäubenden Kreischen an. Einer nach dem anderen begannen die Kristalle zu zerspringen, wobei glühende Splitter in alle Richtungen schossen. Die Brackern, die an ihre Kristalle gebunden waren, schrien und fielen, sich vor Qual krümmend, zu Boden.
Chaos brach aus. Die Brackern sprachen Heilzauber über ihre sterbenden Brüder aus und beschworen Schilde um das Tal herum. Aber alles war vergebens – immer mehr Brackern fielen und ihre Zahl schwand dahin. Endlich erweckten die verzweifelten Bittrufe der Brackern die uralte Magie in den Arachia-Kristallen, die sie unter die Erdoberfläche riefen. Die Brackern vereinigten sich mit den Kristallen, wodurch sie sich mit ihrer Kraft gegenseitig schützten, bis die Welt wieder sicher genug war, dass beide existieren konnten.
Skarner war einer der letzten, die noch wach waren und half den Nachzüglern, die zuletzt unter die Erde kamen. Das letzte, was er an der Oberfläche sah, war eine weitere Welle unnatürlicher Energie, die durch das Tal wogte, bevor auch er in den Boden eintauchte und den Zauber des langen Schlafes wirkte, ein Gebet für seine Art auf der Zunge.
Schlaf begann ihn einzuholen. Plötzlich rüttelte ihn ein durchdringendes Glühen wach und seine Augen flogen auf. Sein Arachia-Kristall pulsierte und der Skorpion wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Dies war, soweit er sich erinnern konnte, nie zuvor geschehen. Skarner streckte seine Schere nach dem Kristall aus und schlagartig wurde er erneut in der Zeit zurück katapultiert.
Das Odyntal schien zu sein wie vor langer Zeit, doch irgendetwas war falsch. Kein Brackern war zu sehen und Menschen hatten die Schlucht überrannt, sie befanden sich im Krieg. Menschen in Roben standen um zahllose Runen herum, die sorgfältig im Zentrum eines Kreises platziert worden waren. Ihre Stimmen erhoben sich im Chor und plötzlich zerbrachen die Runen und verschwanden. An ihre Stelle trat für eine Sekunde eine intensive Energiekonzentration, bevor sie im nächsten Augenblick nicht mehr existierte. Eine Sekunde später wurde das gesamte Tal erschüttert, da eine ganze Stadt in der Ferne in einer gewaltigen Explosion verschwand.
Die Erde erzitterte und rang mit magischen Fingern um Hilfe. Sie fand kleine Kreaturen, die trotz ihrer eigenen Größe erbittert waren, und rief sie zu Kristallen, die tief im Untergrund verborgen waren. Dort durchtränkte die Erde die Skorpione mit der Macht aus den Kristallen und aus ihrer Vereinigung brachen die Brackern hervor.
Die Szene um sie herum löste sich auf und sie wurden zurück in die Gegenwart gebracht. Sowohl Brackern als auch Mensch blieben still, da die Tragweite der Offenbarung auf ihren Herzen lastete.
Menschliche Fehler hatten sie des Lebens beraubt. Menschliche Fehler hatten sie aus dem Nichts hervorgeholt.
Von Zorn und Trauer ergriffen brüllte er, während sein Schwanz wild im Raum umherwirbelte. Der Skorpion schlug immer wieder mit seinen Scheren auf den Boden, als könne er die allzu anschaulichen Bilder seiner sterbenden Brüder aus seinem Kopf hämmern. Bertrand konnte nur um Haaresbreite abtauchen und ihm so aus dem Wege gehen. Er kauerte sich in eine Ecke, bis Skarners Emotionen verebbt waren.
Endlich sprach Bertrand.
„Es tut mir so leid, dass ich dich zwinge, all dies zu erleben. Doch es war … notwendig.“ Der Historiker unternahm einen ehrbaren, doch nur ärmlich verhüllten Versuch, seine Aufregung angesichts eines so atemberaubenden Einblicks in die Geschichte zu verbergen.
Die Stimme des Brackern war nun barsch und tief. In ihr schwang die Bürde des Verlustes mit. „Dafür zu sorgen, dass die Geschichte unserer Art weitergegeben und sich ihrer erinnert wird, ist es wert, das Leid tausendfach erneut zu durchleben. Hast du all die Antworten, die du suchtest?“
„Viel mehr als ich je erwartet hatte.“ Bertrand war von Ehrfurcht ergriffen.
„Dann sind wir hier fertig.“
Bertrand machte eine Bewegung, als wolle er die Kreatur trösten, doch er wusste, dass Worte keinen Trost spenden konnten. Er verbeugte sich tief, drehte sich dann um und floh mit fliegenden Roben aus dem Raum.
Skarner blieb in dem Raum zurück. Der schmerzliche Stich der Erkenntnis war noch immer zu spüren.
Es gab in dieser seltsamen Welt noch so viel, das es zu verstehen galt. Jeder Atemzug, jeder Augenblick und jeder Kampf in dieser Liga der Legenden würde ein Schritt auf dem Weg zu seinem Ziel sein, die Brackern wieder zum Leben zu erwecken.
BEOBACHTUNG
Die Stille ist unheimlich. Einst war das Dorf ein endloser Strudel voller Aktivität, aus dem der Chor der Spitzhacken, der rollenden Loren und der Rufe der Arbeiter das Lied von Kalamanda jeden Moment des Tages erklingen ließ. Nun ist es totenstill, nicht einmal das weit entfernte Schreien der Vögel oder das Flüstern des Windes zwischen den Grashalmen ist mehr zu vernehmen. Über allem schimmert eine blaue Blase, die alles Leben in ihrem Inneren, ungeachtet der Niedertracht oder der Unschuld in den Herzen der Eingeschlossenen, umgibt.
Plötzlich bricht der Boden im Zentrum des Dorfes auf. Die Bergungstruppe der Liga, die in Kalamanda stationiert ist, ist vollkommen unvorbereitet und blickt erstaunt, als ein gefährlich scharfer Kristall aus dem Boden auftaucht. Für einen Augenblick hält er inne, als würde er die Luft schmecken, und schießt dann plötzlich auf die in der Nähe stehenden Menschen los. Sie schaffen es gerade noch, aus dem Weg zu springen, stolpern dabei aber übereinander, während der Rest des Körpers, der mit dem Kristall verbunden ist, sich durch den Schmutz gräbt.
Es ist eine gewaltige Kreatur, die aus den wertvollsten Edelsteinen der Erde gefertigt zu sein scheint. Das Licht bricht sich in jeder Facette seines gegliederten Körpers, ein Glorienschein, der das zur Welt kommen der unnatürlichen Kreatur bekrönt. Bedrohliche Scheren schlagen nach den Menschen und schnappen nach allem, das ihnen im Weg ist. Die Liga-Truppe verteidigt sich so gut sie kann, während sie hoffnungslos brüllt, sie würde sich ergeben.
Der Kristallskorpion bringt ein kehliges Brüllen hervor, das ebenso zornes- wie leiderfüllt wirkt.
BETRACHTUNG
Skarner hastete durch die Kriegsakademie, wobei seine Gliedmaße verkrampft waren, da er versuchte zu vermeiden, sich Schrammen von den schmalen Fluren zu holen. Es half auch nicht, dass Menschen sich am Rande seines Weges versammelten und ihn anstarrten, anstatt für ihren unerwarteten Besucher Platz zu machen. Eine Eskorte geleitete ihn durch zwei riesige Flügel einer Tür, hinter der ein Mensch ganz allein in einem dunklen Raum wartete. Er war erleichtert, den neugierigen Augen entkommen zu sein, auch wenn er wusste, dass das, was nun kommen sollte, noch weitaus tiefer in ihn hineinhorchen würde.
Die aufrechte Haltung des Menschen verriet seine Absicht noch bevor er zu sprechen begonnen hatte.
„Ich bin Bertrand Wordsworth, Bewahrer der Geschichte im Arcanum Majoris. Es ist eine unglaubliche Ehre, einen deiner Art zu treffen. Ich habe in all meinen Studien niemals etwas über die Brackern gelesen.“ Bertrands Augen bewegten sich hastig, um Skarners eindrucksvolle Gestalt zu erfassen.
„Dann scheint es, als hätten die Menschen nicht nur versucht, unsere Spezies zu vernichten, sondern auch noch das Wissen darüber, dass wir überhaupt existiert haben“, antwortete Skarner gleichmütig.
Der Historiker errötete: „Bitte entschuldige, dass ich so direkt war. Ich habe nicht nachgedacht …“
„Nein. Ich bin es, der sich entschuldigen sollte.“ Skarners Kiefer klappten zusammen. „Vergib mir. Diese neue Welt ist so seltsam und der Kummer vergangener Jahrhunderte ist noch so frisch in meiner Erinnerung.“
„Das ist verständlich.“
„Sollen wir dann also weitermachen mit euren Ritualen der Bewertung?“ Der Brackern wollte schnell wegkommen.
„Ganz im Gegenteil, deine kleine Vorstellung in dem Dorf, zusätzlich zu unseren Gesprächen, hat bereits all unsere Fragen bezüglich deiner Eignung für die Aufnahme in die Liga beantwortet. Deine Hingabe, dafür zu kämpfen, dass deine Art zurückkehren kann, ist ehrbar. Zudem ist es besonders spannend für uns, jemanden, der so einzigartig ist wie du, in unsere Organisation aufzunehmen.“ Er zögerte.
„Aber du möchtest etwas über die Geschichte der Brackern erfahren.“
„In der Tat.“ Bertrand hob eine Schriftrolle empor, die er in der Hand hielt. „Ich habe hier einen Zauberspruch, der uns in der Zeit zurückreisen lässt …“
Einen Moment lang antwortete der Kristallskorpion nicht. Das Verlangen, seine Brüder wiederzusehen, war zu stark, als dass er es hätte ignorieren können, doch er kannte den Preis. Er nickte zustimmend.
Ein Energieschwall durchzog den Raum. Plötzlich sah Skarner die Welt wieder, wie sie einst gewesen war.
Der kalte Schmutz der Erde umgab ihn, ein behagliches Gefühl auf seinen müden Gliedern. Er wurde sich der Erschöpfung und des Wahnsinns bewusst, die ihn erfüllten – er befand sich in den letzten Momenten der Suche seines Lebens. Skarner hatte seine Artgenossen seit Jahren nicht gesehen, da er in die Tiefen der Berge aufgebrochen war, um den einen Kristall in der Welt zu finden, der mit der Essenz seines Lebens im Einklang schwingen würde. Skarners Verzweiflung drohte ihn zu verschlingen, nachdem er einen Kristall nach dem anderen ausgegraben hatte, der nicht ihm vorbestimmt war. Mit dem letzten Quäntchen seiner Stärke griff er mit seiner Schere in die Erde und fand endlich den Arachia, der sich für den Rest seines Lebens mit ihm vereinen würde.
Skarner grub ihn behutsam aus, Erleichterung und Ehrfurcht überschwemmten ihn und ließen ihn atemlos zurück. Der Kristall war der größte, den er jemals gesehen hatte, ganz zu schweigen von denen, die auf einen Brackern reagiert hatten. Er studierte die komplizierten Schnitzereien, die sich über jede schimmernde Facette erstreckten und staunte über die Hinterlassenschaften der Erde, die ihr Wissen jahrhundertelang in diesen Edelstein geschrieben hatte. Skarner schlang sich um den Kristall, wobei dieser zu pulsieren begann und damit all seine Ängste beschwichtigte, er würde einsam und würdelos sterben, wenn er seinen Arachia nicht gefunden hätte.
Er raunte die Worte des Bindens und fühlte, wie seine Seele begann, zu singen, als sie eins wurde mit der Erde. Seine erste Versenkung mit dem Kristall ließ ihn für Tage wie gelähmt zurück, während das Wissen vergangener Äonen durch seinen Verstand flutete. Die Stimmen der natürlichen Welt flüsterten ihm zu und teilten die Geheimnisse urtümlicher Magie und die Geschichte vergangener Jahrhunderte mit ihm. In den Jahrzehnten, die darauf folgten, kommunizierte Skarner fast jeden Tag mit dem Kristall und begann nur ansatzweise all das Wissen, mit dem er erfüllt war, zu entdecken. Skarner gab alles, was er gelernt hatte, an die anderen Brackern weiter und daraufhin nährte wiederum jede Kreatur ihren eigenen Arachia mit dem Wissen, um es so für zukünftige Brackern zu bewahren.
Dann erschütterte eine zerstörerische Explosion das Land. Skarner wusste, was als nächstes kommen würde.
Nur Sekunden später hüllte eine giftige Wolke das Tal ein und die Kristalle schwangen mit einem fremdartigen Glühen. Ein schrilles Summen schwoll zu einem ohrenbetäubenden Kreischen an. Einer nach dem anderen begannen die Kristalle zu zerspringen, wobei glühende Splitter in alle Richtungen schossen. Die Brackern, die an ihre Kristalle gebunden waren, schrien und fielen, sich vor Qual krümmend, zu Boden.
Chaos brach aus. Die Brackern sprachen Heilzauber über ihre sterbenden Brüder aus und beschworen Schilde um das Tal herum. Aber alles war vergebens – immer mehr Brackern fielen und ihre Zahl schwand dahin. Endlich erweckten die verzweifelten Bittrufe der Brackern die uralte Magie in den Arachia-Kristallen, die sie unter die Erdoberfläche riefen. Die Brackern vereinigten sich mit den Kristallen, wodurch sie sich mit ihrer Kraft gegenseitig schützten, bis die Welt wieder sicher genug war, dass beide existieren konnten.
Skarner war einer der letzten, die noch wach waren und half den Nachzüglern, die zuletzt unter die Erde kamen. Das letzte, was er an der Oberfläche sah, war eine weitere Welle unnatürlicher Energie, die durch das Tal wogte, bevor auch er in den Boden eintauchte und den Zauber des langen Schlafes wirkte, ein Gebet für seine Art auf der Zunge.
Schlaf begann ihn einzuholen. Plötzlich rüttelte ihn ein durchdringendes Glühen wach und seine Augen flogen auf. Sein Arachia-Kristall pulsierte und der Skorpion wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Dies war, soweit er sich erinnern konnte, nie zuvor geschehen. Skarner streckte seine Schere nach dem Kristall aus und schlagartig wurde er erneut in der Zeit zurück katapultiert.
Das Odyntal schien zu sein wie vor langer Zeit, doch irgendetwas war falsch. Kein Brackern war zu sehen und Menschen hatten die Schlucht überrannt, sie befanden sich im Krieg. Menschen in Roben standen um zahllose Runen herum, die sorgfältig im Zentrum eines Kreises platziert worden waren. Ihre Stimmen erhoben sich im Chor und plötzlich zerbrachen die Runen und verschwanden. An ihre Stelle trat für eine Sekunde eine intensive Energiekonzentration, bevor sie im nächsten Augenblick nicht mehr existierte. Eine Sekunde später wurde das gesamte Tal erschüttert, da eine ganze Stadt in der Ferne in einer gewaltigen Explosion verschwand.
Die Erde erzitterte und rang mit magischen Fingern um Hilfe. Sie fand kleine Kreaturen, die trotz ihrer eigenen Größe erbittert waren, und rief sie zu Kristallen, die tief im Untergrund verborgen waren. Dort durchtränkte die Erde die Skorpione mit der Macht aus den Kristallen und aus ihrer Vereinigung brachen die Brackern hervor.
Die Szene um sie herum löste sich auf und sie wurden zurück in die Gegenwart gebracht. Sowohl Brackern als auch Mensch blieben still, da die Tragweite der Offenbarung auf ihren Herzen lastete.
Menschliche Fehler hatten sie des Lebens beraubt. Menschliche Fehler hatten sie aus dem Nichts hervorgeholt.
Von Zorn und Trauer ergriffen brüllte er, während sein Schwanz wild im Raum umherwirbelte. Der Skorpion schlug immer wieder mit seinen Scheren auf den Boden, als könne er die allzu anschaulichen Bilder seiner sterbenden Brüder aus seinem Kopf hämmern. Bertrand konnte nur um Haaresbreite abtauchen und ihm so aus dem Wege gehen. Er kauerte sich in eine Ecke, bis Skarners Emotionen verebbt waren.
Endlich sprach Bertrand.
„Es tut mir so leid, dass ich dich zwinge, all dies zu erleben. Doch es war … notwendig.“ Der Historiker unternahm einen ehrbaren, doch nur ärmlich verhüllten Versuch, seine Aufregung angesichts eines so atemberaubenden Einblicks in die Geschichte zu verbergen.
Die Stimme des Brackern war nun barsch und tief. In ihr schwang die Bürde des Verlustes mit. „Dafür zu sorgen, dass die Geschichte unserer Art weitergegeben und sich ihrer erinnert wird, ist es wert, das Leid tausendfach erneut zu durchleben. Hast du all die Antworten, die du suchtest?“
„Viel mehr als ich je erwartet hatte.“ Bertrand war von Ehrfurcht ergriffen.
„Dann sind wir hier fertig.“
Bertrand machte eine Bewegung, als wolle er die Kreatur trösten, doch er wusste, dass Worte keinen Trost spenden konnten. Er verbeugte sich tief, drehte sich dann um und floh mit fliegenden Roben aus dem Raum.
Skarner blieb in dem Raum zurück. Der schmerzliche Stich der Erkenntnis war noch immer zu spüren.
Es gab in dieser seltsamen Welt noch so viel, das es zu verstehen galt. Jeder Atemzug, jeder Augenblick und jeder Kampf in dieser Liga der Legenden würde ein Schritt auf dem Weg zu seinem Ziel sein, die Brackern wieder zum Leben zu erwecken.