Der neue SPD-Parteichef Sigmar Gabriel

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  • Der neue SPD-Parteichef Sigmar Gabriel

    Für die SPD ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Sigmar Gabriel, der neue Superstar und Vorsitzende dieser altehrwürdigen Partei, wird entweder Insolvenzverwalter oder der Chefarzt, der den schwerkranken Patienten Sozialdemokratie von der Intensivstation in ein Reha-Zentrum überführt. Dort wird die alte, kranke, müde SPD lange verweilen müssen.
    Es wird ein ungeheurer Kraftaufwand nötig sein, um diese, in vielen Identitäten, Richtungen und teilweise politisches Sektierertum zerfallene Partei wieder auf Kurs zu bringen. Das wissen Sigmar Gabriel und Andrea Nahles, das aus pragmatischen Machtgründen zusammengeführte Traumpaar, sehr genau. Alle Hoffnungen sind auf Sigmar Gabriel gerichtet. Es ist auch seine persönlich große, aber letzte Chance, von "Siggi Pop" zu einem ernstzunehmenden Politiker zu werden. Er hat alle Voraussetzungen, um der SPD eine Zukunft zu erarbeiten. Er ist ehrgeizig, kompetent, einer der letzten der wenigen begnadeten Redner in der Politik und er hat nichts mehr zu verlieren. Wenn Gabriel es schaffen kann, sich selbst ein Stück zurückzunehmen, mit Geduld, Gefühl und Verstand in seiner Partei zuzuhören und daraus ein Konzept zu entwickeln, wird er der Sozialdemokratie wieder Seele und Inhalt geben.Und ohne Inhalt wird es nicht gehen. Dabei spielen Begriffe wie links und rechts nur eine untergeordnete Rolle. Was ist sozialdemokratisch? Was ist das Besondere, das Einzigartige an der Sozialdemokratie, wird die Frage sein. Von Bürgerrechten, liberaler Gesellschaftspolitik bis zur Wirtschafts-, Finanz- und Verteidigungspolitik werden Antworten gegeben werden müssen. Dass Sigmar Gabriel eher unideologisch ist, also der sozialdemokratischen Mitte nahesteht, ist ein Vorteil. Auch wenn Linke es nicht gern hören: Der Klassenkampf, den es natürlich auch heute noch gibt, verlangt nach modernen Antworten. Nur zu schreien: Kapitalismus ist böse, Sozialismus ist schön, reicht nicht. Die SPD muss aufhören, hinter, vor, neben und nach Oskar Lafontaine zu schielen. Sie ist nicht die Nebenstelle der Linken. Wenn das einer in der SPD leisten kann, dann Sigmar Gabriel. Psychotherapeutische Gruppenstunden werden zum Alltag gehören. Und doch ist es dieser Partei zu wünschen, dass ihr Führungsteam sie wieder auf Kurs bringen kann. Es ist gut für eine Demokratie und es ist gut für Deutschland, wenn es im politischen Spektrum eine Partei gibt, die sich primär den sozialen Fragen ihrer Bürger stellt und ihr Sprachrohr ist. Nur so entsteht ein konstruktiver Dialog und eine ernstzunehmende Streitkultur zwischen Gewinnstreben einerseits und einer gerechten Verteilung andererseits. Ohne soziale Gerechtigkeit gibt es keinen inneren Frieden. Dies Oskar Lafontaine zu überlassen, wäre nicht optimal. Deswegen muss die SPD diese Rolle wieder einnehmen. Das setzt allerdings voraus, dass sie ein inhaltliches, modernes Gesamtkonzept des Begriffes Gerechtigkeit entwickelt, und das setzt wiederum voraus, dass Sigmar Gabriel und Andrea Nahles das Wunder fertigbringen, aus dem Mischmasch der Ypsilantis und der Steinmeiers eine glaubwürdige Personal- und Inhaltsbestimmung zu rühren, die von allen vertreten werden kann. Die Nach-Schröder-Zeit hat endgültig begonnen.



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