Google steht schwer unter Beschuss: Politiker, Datenschützer und Hausbesitzer würden dem US-Konzern am liebsten das "Street-View"-Projekt untersagen, für das er deutsche Städte fotografiert. Doch ihre Argumente basieren auf diffusen Ängsten. Sie gefährden den Erfolg einer viel versprechenden Technologie.
Es ist eine mächtige Allianz, die sich da gebildet hat. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Verbraucherministerin Ilse Aigner, Kommunen, Datenschützer und der Verband der Hauseigentümer wollen das "Street View"-Projekt stoppen, bei dem Google ganze Straßenzüge fotografiert und ins Internet stellt. Das Bündnis wittert einen schweren Eingriff in die Privatsphäre, Aigner nennt den US-Konzern gar "ungenierter als Geheimdienste". Und fordert scharfe Gesetze "gegen Google". Das ist absurd.
Ein Rechtsstaat erlässt kein Gesetz gegen ein einzelnes Unternehmen; er setzt Rahmenbedingungen für alle natürlichen und juristischen Personen. Und natürlich betrifft die Debatte nicht nur Google.
Es sind viele Firmen, die ganz ähnlich wie der US-Konzern vorgehen. Ob Microsoft (preview.local.live.com), der Kartenhersteller Tele Atlas oder das kleine Unternehmen Panogate (sightwalk.de) aus Köln, sie alle fotografieren systematisch die Städte dieser Welt - mal aus dem Flugzeug, mal aus dem Auto. Auch sie veröffentlichen diese Bilder im Internet oder nutzen sie für Navigationssysteme. Wenn sich die öffentliche Debatte nun auf Google konzentriert, dann wohl nur, weil sich mit diffusen Vorwürfen gegen den vermeintlichen "Datenkraken" leicht Ängste schüren lassen.
Ein Digitalisierungsverbot würde ohnehin nicht bloß Firmen schaden, auch Privatpersonen wären die Leidtragenden. Moderne Kameras sind mit einer sogenannten Geo-Tagging-Funktion versehen. Wer solche Bilder ins Internet hochlädt, kann sie automatisch mit Karten verknüpfen. Beim populären Bilderdienst Flickr (Flickr.com) gibt es bereits Millionen von privaten Fotos, die deutsche Städte zeigen - sauber sortiert nach Straßen. Wenn die Politik nun Google verbietet, die Häuserzeilen zu fotografieren, darf der Bürger konsequenterweise auch keine Bilder mit Ortsmarke ins Internet stellen.
Es muss also eine grundsätzliche Debatte um eine neue Technologie geführt werden: der Digitalisierung unserer Städte, gewissermaßen die Kartografie 2.0. Deren Vorteile sind enorm. Wer auf Wohnungssuche ist, erhält über das Internet einen ersten Eindruck und spart sich möglicherweise einen Besichtigungstermin. Navigationsgeräte vermitteln einen viel plastischeren Eindruck der Umgebung, Autofahrer finden sich besser zurecht. Auch bei der Hotelbuchung dürften Fehltritte die Ausnahme werden.
Fast hysterisch wirken hingegen die Warnungen vor dem Verlust der Privatsphäre. Was ist damit gemeint? Die Privatsphäre der Hausfront? Google und Co. fotografieren grundsätzlich nur das, was jeder Fußgänger auf einer öffentlich zugänglichen Straße sieht. Diese Bilder sind Momentaufnahmen, in der Regel Monate oder gar Jahre alt. Es gibt kein "Live-Bild", keine Überwachung. Jeder beschlagene Einbrecher kundschaftet sowieso vor Ort aus, ob es seinen Fluchtweg noch gibt – und ob dieser in der Zwischenzeit nicht verbaut worden ist. Statt Google zu nutzen, können Arbeitgeber viel besser eine Datenbank für Grundstückspreise konsultieren, wenn sie mehr über das Milieu eines Stellenbewerbers erfahren wollen. Bereitgestellt von den Bundesländern, kostenlos im Internet.
Und die Geheimdienste? Vielleicht sollte sich Verbraucherministerin Aigner einmal Bilder von Militärsatelliten, Aufklärungsflugzeugen und Sonden ansehen. Damit lassen sich Zielpersonen über Minuten hinweg aus der Luft verfolgen. Google kann das nicht.
Natürlich ist es sinnvoll, dem US-Konzern auf die Finger zu schauen. Dank dem Druck von Datenschützern macht Google zufällig fotografierte Menschen inzwischen unkenntlich. Das Unternehmen informiert auf einer Webseite, wo seine Fahrzeuge gerade im Einsatz sind. Hauseigentümer können Fotos ihrer Objekte sogar nachträglich löschen lassen. Denkbar wäre auch eine Begrenzung der Aufnahmehöhe, so dass Google nicht über Gartenzäune hinweg fotografiert
Falsch ist aber die Hexenjagd auf den US-Konzern. Falsch ist eine Straßennutzungsgebühr, die für kleinere Firmen unbezahlbar wäre und sie ausschließen würde vom Wettbewerb mit Google und Microsoft. Falsch ist ebenso eine gesetzlich vorgeschriebene Genehmigung, die jeder einzelne Hauseigentümer erteilen müsste. Das würde ein bürokratisches Monster schaffen. Und faktisch das Aus für eine viel versprechende Technologie bedeuten.
Quelle: welt.de
Es ist eine mächtige Allianz, die sich da gebildet hat. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Verbraucherministerin Ilse Aigner, Kommunen, Datenschützer und der Verband der Hauseigentümer wollen das "Street View"-Projekt stoppen, bei dem Google ganze Straßenzüge fotografiert und ins Internet stellt. Das Bündnis wittert einen schweren Eingriff in die Privatsphäre, Aigner nennt den US-Konzern gar "ungenierter als Geheimdienste". Und fordert scharfe Gesetze "gegen Google". Das ist absurd.
Ein Rechtsstaat erlässt kein Gesetz gegen ein einzelnes Unternehmen; er setzt Rahmenbedingungen für alle natürlichen und juristischen Personen. Und natürlich betrifft die Debatte nicht nur Google.
Es sind viele Firmen, die ganz ähnlich wie der US-Konzern vorgehen. Ob Microsoft (preview.local.live.com), der Kartenhersteller Tele Atlas oder das kleine Unternehmen Panogate (sightwalk.de) aus Köln, sie alle fotografieren systematisch die Städte dieser Welt - mal aus dem Flugzeug, mal aus dem Auto. Auch sie veröffentlichen diese Bilder im Internet oder nutzen sie für Navigationssysteme. Wenn sich die öffentliche Debatte nun auf Google konzentriert, dann wohl nur, weil sich mit diffusen Vorwürfen gegen den vermeintlichen "Datenkraken" leicht Ängste schüren lassen.
Ein Digitalisierungsverbot würde ohnehin nicht bloß Firmen schaden, auch Privatpersonen wären die Leidtragenden. Moderne Kameras sind mit einer sogenannten Geo-Tagging-Funktion versehen. Wer solche Bilder ins Internet hochlädt, kann sie automatisch mit Karten verknüpfen. Beim populären Bilderdienst Flickr (Flickr.com) gibt es bereits Millionen von privaten Fotos, die deutsche Städte zeigen - sauber sortiert nach Straßen. Wenn die Politik nun Google verbietet, die Häuserzeilen zu fotografieren, darf der Bürger konsequenterweise auch keine Bilder mit Ortsmarke ins Internet stellen.
Es muss also eine grundsätzliche Debatte um eine neue Technologie geführt werden: der Digitalisierung unserer Städte, gewissermaßen die Kartografie 2.0. Deren Vorteile sind enorm. Wer auf Wohnungssuche ist, erhält über das Internet einen ersten Eindruck und spart sich möglicherweise einen Besichtigungstermin. Navigationsgeräte vermitteln einen viel plastischeren Eindruck der Umgebung, Autofahrer finden sich besser zurecht. Auch bei der Hotelbuchung dürften Fehltritte die Ausnahme werden.
Fast hysterisch wirken hingegen die Warnungen vor dem Verlust der Privatsphäre. Was ist damit gemeint? Die Privatsphäre der Hausfront? Google und Co. fotografieren grundsätzlich nur das, was jeder Fußgänger auf einer öffentlich zugänglichen Straße sieht. Diese Bilder sind Momentaufnahmen, in der Regel Monate oder gar Jahre alt. Es gibt kein "Live-Bild", keine Überwachung. Jeder beschlagene Einbrecher kundschaftet sowieso vor Ort aus, ob es seinen Fluchtweg noch gibt – und ob dieser in der Zwischenzeit nicht verbaut worden ist. Statt Google zu nutzen, können Arbeitgeber viel besser eine Datenbank für Grundstückspreise konsultieren, wenn sie mehr über das Milieu eines Stellenbewerbers erfahren wollen. Bereitgestellt von den Bundesländern, kostenlos im Internet.
Und die Geheimdienste? Vielleicht sollte sich Verbraucherministerin Aigner einmal Bilder von Militärsatelliten, Aufklärungsflugzeugen und Sonden ansehen. Damit lassen sich Zielpersonen über Minuten hinweg aus der Luft verfolgen. Google kann das nicht.
Natürlich ist es sinnvoll, dem US-Konzern auf die Finger zu schauen. Dank dem Druck von Datenschützern macht Google zufällig fotografierte Menschen inzwischen unkenntlich. Das Unternehmen informiert auf einer Webseite, wo seine Fahrzeuge gerade im Einsatz sind. Hauseigentümer können Fotos ihrer Objekte sogar nachträglich löschen lassen. Denkbar wäre auch eine Begrenzung der Aufnahmehöhe, so dass Google nicht über Gartenzäune hinweg fotografiert
Falsch ist aber die Hexenjagd auf den US-Konzern. Falsch ist eine Straßennutzungsgebühr, die für kleinere Firmen unbezahlbar wäre und sie ausschließen würde vom Wettbewerb mit Google und Microsoft. Falsch ist ebenso eine gesetzlich vorgeschriebene Genehmigung, die jeder einzelne Hauseigentümer erteilen müsste. Das würde ein bürokratisches Monster schaffen. Und faktisch das Aus für eine viel versprechende Technologie bedeuten.
Quelle: welt.de