Südlich des Bundeswehrstandorts Kunduz in Nordafghanistan haben die Taliban einen Versorgungskonvoi der Nato angegriffen und zwei Benzinlaster zerstört. Die neue Route entwickelt sich mehr und mehr zum Ziel der Aufständischen - und damit zur Gefahr auch für die deutschen Soldaten.
Berlin/Kabul - Bei einer gezielten Attacke auf die neue Versorgungsroute der Nato durch den Norden Afghanistans haben Kämpfer der radikal-islamistischen Taliban am Freitagmorgen zwei Tanklaster mit Benzin für die internationale Schutztruppe Isaf zerstört. Der Vorfall ereignete sich gegen 11 Uhr Ortszeit in Aliabad, etwa 15 Kilometer südlich vom Bundeswehrstandort in der Provinzhauptstadt Kunduz. Der Gouverneur von Kunduz, Mohammed Omar, bestätigte SPIEGEL ONLINE den Angriff. Demnach wurde der Konvoi mit Panzerfäusten angegriffen.
Nach der Attacke auf den Konvoi, der durch mehrere private Sicherheitsleute geschützt war, kam es nach Angaben von Omar zu heftigen Kämpfen zwischen der anrückenden afghanischen Polizei und den Taliban. Dabei wurden den ersten Informationen zufolge auf beiden Seiten mehrere Personen getötet und verletzt. Deutsche Truppen waren Omars Angaben zufolge nicht an den Kämpfen beteiligt. Beim Einsatzführungskommando in Potsdam lagen noch keine Informationen über die neue Attacke auf die Versorgungsroute der Nato vor.
Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff und kündigten weitere Attacken auf die Konvois an, die die Nato vor allem mit Benzin versorgen. Ein Kommandeur der Aufständischen in Kunduz behauptete, seine Kämpfer hätten die Laster angegriffen und zwei mit Panzerfäusten zerstört. Bei jeder Gelegenheit, so der Taliban-Anführer, werde man auch künftig Konvois angreifen und so versuchen, die erst vor einigen Monaten etablierte Versorgungsroute lahmzulegen, die als Alternative zu der gefährlichen Strecke aus Pakistan eingerichtet wurde.
Taliban nicht geschwächt?
Der Vorfall ist bereits der zweite Angriff auf Versorgungstransporte für die internationalen Truppen in den vergangenen Tagen. Bereits am vergangenen Freitag wurden mehrere zivile Laster, die das Lager in Kunduz und in Faisabad anfahren sollten, von den Taliban beschossen. Bei dem Angriff wurden zwei Personen verletzt, zwei Laster mussten ihre Fahrt ebenfalls abbrechen.
Der jetzige Angriff fand in derselben Ortschaft statt, in der die Taliban am 3. September zwei Tanklaster entführt hatten, die dann auf deutschen Befehl hin wenige Stunden später durch einen Luftangriff zerstört wurden.
Der neue Angriff auf den Nato-Konvoi widerlegt teilweise die aktuelle Einschätzung des Bundesverteidigungsministeriums, dass der Luftangriff Anfang September die Aktivitäten der Taliban im Raum Kunduz erheblich geschwächt hat. Der Sprecher des Ministeriums hatte kürzlich mitgeteilt, dass die Attacken der Aufständischen gegen die Bundeswehr nach dem fatalen Bombardement, bei dem viele Zivilisten getötet wurden, zurückgegangen sei. Er deutete an, die massive Aktion habe den Gegner beeindruckt. Die Taliban hingegen teilten mit, bei dem Bombenangriff seien nur wenige Kämpfer ums Leben gekommen.
Hubschrauber beschossen
Auch eine Meldung aus der vertraulichen Unterrichtung für den Bundestag, in der die Bundeswehr Politiker über die Lage in Afghanistan informiert, spricht eine andere Sprache. Demnach wurden am vergangenen Mittwoch zwei Hubschrauber mit deutschen Soldaten von Unbekannten beschossen. Einer der beiden Helikopter vom Typ CH-53 sei am Mittwoch auf dem Flug von Kunduz in die Stadt Imam Saheb, einer Hochburg der Taliban, getroffen worden. Der getroffene Hubschrauber sei daraufhin zum Flugplatz Kunduz zurückgekehrt, über Schäden oder weitere Details war in der Unterrichtung nichts zu lesen.
Unterdessen wird in Berlin schon wenige Tage nach der Bundestagswahl über eine deutliche Aufstockung der deutschen Truppen für Afghanistan diskutiert. Unter Berufung auf zuverlässige Informationen hatte der "Deutschlandfunk" gemeldet, die Bundesregierung plane für das neue Afghanistan-Mandat eine massive Erhöhung des deutschen Kontingents von bisher 4500 auf 7000 Soldaten. Das neue Mandat muss im Dezember vom Bundestag bestätigt werden und gilt für ein Jahr.
Dementieren will die Meldung des Radiosenders in Berlin niemand, das Verteidigungsministerium sprach lediglich von einer "Spekulation". Ähnlich hatte das Ministerium im Vorfeld des vorangegangenen Mandats die damalige Erhöhung des Kontingents abgetan, obwohl Kenner der Lage wussten, dass die Aufstockung bereits beschlossene Sache war. Zum Schutz der in Nordafghanistan stationierten Soldaten hatten führende Offiziere in ihren Berichten nach Berlin in den vergangenen Monaten eine Verstärkung der Truppe dringend gefordert.
Ungemach für die neue Regierung
Die neue Diskussion um den Einsatz dürfte der künftigen Bundesregierung von Angela Merkel und Guido Westerwelle nicht schmecken. Nach dem tödlichen Bombardement in Kunduz hatten die politischen Lager versucht, einen Streit um die heikle Mission am Hindukusch zu unterdrücken. Allerdings wissen sowohl Merkel als auch Westerwelle, dass die Erhöhung des deutschen Engagements in den kommenden Wochen als Wunsch der USA an sie herangetragen werden wird. Ob die Aufstockung um 2500 Mann dafür reicht, erscheint jedoch ungewiss.
Zusätzliches Ungemach beschert den politisch Verantwortlichen die unklare Lage nach der Präsidentenwahl in Afghanistan. Bisher schwieg die Bundesregierung zu den massiven Vorwürfen der Wahlfälschung durch den Amtsinhaber Hamid Karzai. Kommende Woche aber wird mit einem Ergebnis der Prüfkommission gerechnet, ob die Wahl überhaupt gültig ist. Spätestens dann und auch trotz der laufenden Koalitionsverhandlungen wird sich Berlin zu dem allseits als wichtiger Indikator für die Lage in Afghanistan bezeichneten Urnengang äußern müssen.
([URL="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,652794,00.html"]Spiegel Online[/URL])
Berlin/Kabul - Bei einer gezielten Attacke auf die neue Versorgungsroute der Nato durch den Norden Afghanistans haben Kämpfer der radikal-islamistischen Taliban am Freitagmorgen zwei Tanklaster mit Benzin für die internationale Schutztruppe Isaf zerstört. Der Vorfall ereignete sich gegen 11 Uhr Ortszeit in Aliabad, etwa 15 Kilometer südlich vom Bundeswehrstandort in der Provinzhauptstadt Kunduz. Der Gouverneur von Kunduz, Mohammed Omar, bestätigte SPIEGEL ONLINE den Angriff. Demnach wurde der Konvoi mit Panzerfäusten angegriffen.
Nach der Attacke auf den Konvoi, der durch mehrere private Sicherheitsleute geschützt war, kam es nach Angaben von Omar zu heftigen Kämpfen zwischen der anrückenden afghanischen Polizei und den Taliban. Dabei wurden den ersten Informationen zufolge auf beiden Seiten mehrere Personen getötet und verletzt. Deutsche Truppen waren Omars Angaben zufolge nicht an den Kämpfen beteiligt. Beim Einsatzführungskommando in Potsdam lagen noch keine Informationen über die neue Attacke auf die Versorgungsroute der Nato vor.
Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff und kündigten weitere Attacken auf die Konvois an, die die Nato vor allem mit Benzin versorgen. Ein Kommandeur der Aufständischen in Kunduz behauptete, seine Kämpfer hätten die Laster angegriffen und zwei mit Panzerfäusten zerstört. Bei jeder Gelegenheit, so der Taliban-Anführer, werde man auch künftig Konvois angreifen und so versuchen, die erst vor einigen Monaten etablierte Versorgungsroute lahmzulegen, die als Alternative zu der gefährlichen Strecke aus Pakistan eingerichtet wurde.
Taliban nicht geschwächt?
Der Vorfall ist bereits der zweite Angriff auf Versorgungstransporte für die internationalen Truppen in den vergangenen Tagen. Bereits am vergangenen Freitag wurden mehrere zivile Laster, die das Lager in Kunduz und in Faisabad anfahren sollten, von den Taliban beschossen. Bei dem Angriff wurden zwei Personen verletzt, zwei Laster mussten ihre Fahrt ebenfalls abbrechen.
Der jetzige Angriff fand in derselben Ortschaft statt, in der die Taliban am 3. September zwei Tanklaster entführt hatten, die dann auf deutschen Befehl hin wenige Stunden später durch einen Luftangriff zerstört wurden.
Der neue Angriff auf den Nato-Konvoi widerlegt teilweise die aktuelle Einschätzung des Bundesverteidigungsministeriums, dass der Luftangriff Anfang September die Aktivitäten der Taliban im Raum Kunduz erheblich geschwächt hat. Der Sprecher des Ministeriums hatte kürzlich mitgeteilt, dass die Attacken der Aufständischen gegen die Bundeswehr nach dem fatalen Bombardement, bei dem viele Zivilisten getötet wurden, zurückgegangen sei. Er deutete an, die massive Aktion habe den Gegner beeindruckt. Die Taliban hingegen teilten mit, bei dem Bombenangriff seien nur wenige Kämpfer ums Leben gekommen.
Hubschrauber beschossen
Auch eine Meldung aus der vertraulichen Unterrichtung für den Bundestag, in der die Bundeswehr Politiker über die Lage in Afghanistan informiert, spricht eine andere Sprache. Demnach wurden am vergangenen Mittwoch zwei Hubschrauber mit deutschen Soldaten von Unbekannten beschossen. Einer der beiden Helikopter vom Typ CH-53 sei am Mittwoch auf dem Flug von Kunduz in die Stadt Imam Saheb, einer Hochburg der Taliban, getroffen worden. Der getroffene Hubschrauber sei daraufhin zum Flugplatz Kunduz zurückgekehrt, über Schäden oder weitere Details war in der Unterrichtung nichts zu lesen.
Unterdessen wird in Berlin schon wenige Tage nach der Bundestagswahl über eine deutliche Aufstockung der deutschen Truppen für Afghanistan diskutiert. Unter Berufung auf zuverlässige Informationen hatte der "Deutschlandfunk" gemeldet, die Bundesregierung plane für das neue Afghanistan-Mandat eine massive Erhöhung des deutschen Kontingents von bisher 4500 auf 7000 Soldaten. Das neue Mandat muss im Dezember vom Bundestag bestätigt werden und gilt für ein Jahr.
Dementieren will die Meldung des Radiosenders in Berlin niemand, das Verteidigungsministerium sprach lediglich von einer "Spekulation". Ähnlich hatte das Ministerium im Vorfeld des vorangegangenen Mandats die damalige Erhöhung des Kontingents abgetan, obwohl Kenner der Lage wussten, dass die Aufstockung bereits beschlossene Sache war. Zum Schutz der in Nordafghanistan stationierten Soldaten hatten führende Offiziere in ihren Berichten nach Berlin in den vergangenen Monaten eine Verstärkung der Truppe dringend gefordert.
Ungemach für die neue Regierung
Die neue Diskussion um den Einsatz dürfte der künftigen Bundesregierung von Angela Merkel und Guido Westerwelle nicht schmecken. Nach dem tödlichen Bombardement in Kunduz hatten die politischen Lager versucht, einen Streit um die heikle Mission am Hindukusch zu unterdrücken. Allerdings wissen sowohl Merkel als auch Westerwelle, dass die Erhöhung des deutschen Engagements in den kommenden Wochen als Wunsch der USA an sie herangetragen werden wird. Ob die Aufstockung um 2500 Mann dafür reicht, erscheint jedoch ungewiss.
Zusätzliches Ungemach beschert den politisch Verantwortlichen die unklare Lage nach der Präsidentenwahl in Afghanistan. Bisher schwieg die Bundesregierung zu den massiven Vorwürfen der Wahlfälschung durch den Amtsinhaber Hamid Karzai. Kommende Woche aber wird mit einem Ergebnis der Prüfkommission gerechnet, ob die Wahl überhaupt gültig ist. Spätestens dann und auch trotz der laufenden Koalitionsverhandlungen wird sich Berlin zu dem allseits als wichtiger Indikator für die Lage in Afghanistan bezeichneten Urnengang äußern müssen.
([URL="http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,652794,00.html"]Spiegel Online[/URL])