Geplante Strafrecht-Verschärfung: Sterbehilfe-Verbot spaltet Schwarz-Gelb

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  • Geplante Strafrecht-Verschärfung: Sterbehilfe-Verbot spaltet Schwarz-Gelb

    Die neue Regierung will kommerzielle Sterbehilfe verbieten. Doch der hart ausgehandelte Kompromiss zwischen CDU und FDP lässt Schlupflöcher für schwarze Schafe - und das sorgt in der Koalition für Zündstoff.

    Hamburg - Sogar die Kirche ist ratlos. "Wenn der Wunsch nach einem selbstbestimmten Ende so groß ist, dann dürfen wir zwar nicht Ja zur aktiven Sterbehilfe sagen", erklärte Margot Käßmann kurz nach ihrer Berufung an die Spitze der Evangelischen Kirche Deutschlands. "Aber das kategorische Nein kann auch nicht die Antwort sein."

    Darf man einem Menschen beim Sterben helfen? Wie weit sollte der Beistand für einen Lebensmüden gehen? Ist es ethisch vertretbar, wenn professionelle Sterbehelfer den Freitod organisieren? Immer wieder flammt die Diskussion um Sterbehilfe auf, auch weil es in der Gesetzgebung etliche Grauzonen gibt. Die Debatte um den letzten Gang steckt fest in einer Endlosschleife.

    In Deutschland sorgte zuletzt der frühere Hamburger Justizsenator Roger Kusch für Aufsehen. Bis 2008 half er nach eigenen Angaben fünf Menschen gegen Zahlung von jeweils 8000 Euro beim Selbstmord. Kusch erklärte nach einem Eilantrag des Hamburger Verwaltungsgericht im SPIEGEL seinen Rückzug vom Sterbehilfe-Geschäft. Doch die Rechtsunsicherheit bleibt.

    Die schwarz-gelbe Regierung hat nun erstmals eine Regelung zur professionellen Sterbehilfe festgeschrieben. "Die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung werden wir unter Strafe stellen", heißt es im Koalitionsvertrag. Ein Strafmaß wurde allerdings nicht vereinbart.

    "Wunder Punkt der Koalition"
    Auch sonst lässt der Passus viele Fragen offen. Denn wie das Gesetz am Ende tatsächlich aussehen könnte, darüber sind sich Union und FDP längst nicht einig. Die Union wollte eigentlich durchsetzen, dass Sterbehilfe-Vereine generell verboten werden. Die nun geplante Verschärfung des Strafrechts gilt aber lediglich für Organisationen, die mit Beihilfe zum Suizid Geld verdienen wollen.

    Gegen die CDU-Forderung stemmte sich vor allem Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Wir wollen denen das Handwerk legen, die Menschen von Sterbehilfe überzeugen und sich dafür bezahlen lassen", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Eine Beratung von Lebensmüden sei dagegen weiterhin notwendig, damit diese "nicht einfach Medikamente in sich hineinschütten". Sterbehilfe-Organisationen blieben auch nach der Neuregelung erlaubt, betonte die Politikerin. Der Kompromiss beziehe sich "ausschließlich auf die auf Gewinnerzielung angelegte Sterbehilfe".

    Der Union geht das nicht weit genug. "Die Sterbehilfe ist ein wunder Punkt der Koalition", sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach SPIEGEL ONLINE. "Ebenso wie die FDP auf Steuersenkungen beharren wird, werden wir darauf bestehen, dass die organisierte Sterbehilfe klar verboten wird". Vereine könnten "Wege finden, um den Eindruck von Geschäftemacherei zu vermeiden", meint Bosbach. Überschüssige Gelder müssten ja nicht als Gewinn deklariert, sondern könnten auch einfach in Gehälter, Büroräume oder anderweitig investiert werden.

    Schweizer Dignitas im Visier
    Das Thema dürfte in der Koalition für Konflikte sorgen. Ein seit Jahren kursierender Gesetzentwurf der Unionsländer verlangt eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren für "Gründer einer Vereinigung, die anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt". Selbst Hintermänner und Finanziers sollen sich demnach strafbar machen. Mehrere Anläufe, das Papier in den Bundesrat zu bringen, scheiterten. Ausgerechnet Leutheusser-Schnarrenberger, in deren Ministerium das neue Gesetz entstehen soll, gehört zu den schärfsten Kritikern des Entwurfs.

    Zudem forderte sie in der Vergangenheit offen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe. 2005 stellte sie sich hinter Kusch, der als Justizsenator gegen das Verbot der aktiven Sterbehilfe zu Felde zog. Der von Kusch entwickelte "Tötungsautomat" und seine Hausbesuche bei Sterbewilligen waren damals noch nicht bekannt. In der "Welt" erklärte Leutheusser-Schnarrenberger, dass der freie Wille von Schwerstkranken "bis zum Schluss Priorität" haben müsse. Daher befürworte sie Überlegungen, "in ganz schweren Fällen aktive Sterbehilfe zuzulassen".

    Vor diesem Hintergrund ist es für die CDU schon ein Erfolg, dass es die Passage überhaupt in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Doch der Fokus auf die Frage nach den gewerblichen Absichten einer Organisation lässt viel Spielraum. Der Schweizer Verein Dignitas, der jährlich mehr als hundert Menschen in den Tod begleitet, verfolgt nach eigenen Angaben keinerlei kommerzielle Interessen. Allerdings ist kaum bekannt, wofür Dignitas die Einnahmen von 10.000 Franken pro Sterbebegleitung verwendet. Der Zürcher Staatsanwaltschaft zufolge gibt es "konkrete Hinweise", dass Dignitas dieses Geld "nicht nur für die Deckung der Kosten" brauche.

    Was passiert mit dem deutschen Ableger?
    In der Schweiz ist die Kontroverse gerade wieder entbrannt, mit Unmut beobachtet man dort den wachsenden "Sterbetourismus" aus dem Ausland. Die Regierung in Bern präsentierte dem Parlament in der vergangenen Woche zwei Gesetzesvorschläge. Der eine umfasst ein totales Verbot, der andere gestattet Sterbehilfe unter Auflagen. Diese sind relativ streng - etwa muss ein Gutachter bestätigen, dass der natürliche Tod des Lebensmüden ohnehin in wenigen Monaten eintreten würde.

    Unklar ist, ob die schwarz-gelben Pläne auch den deutschen Ableger Dignitate treffen. Die Zweigstelle in Hannover bietet lediglich Beratung an und vermittelt Sterbewillige in die Schweiz. Das erklärte Vorhaben, einen todkranken Menschen in Anwesenheit eines Arztes in den zu Tod begleiten, kam über die Ankündigung nicht hinaus.

    Am Beispiel Dignitate zeigt sich, wie unscharf die jetzige Regelung formuliert ist. Die Deutsche Hospiz Stiftung wertet die Einigung der Koalition als "mutige Entscheidung". Das Verbot umfasse sowohl die kommerzielle Suizidbeihilfe als auch die Hilfe zur Selbsttötung durch ehrenamtliche Mitarbeiter entsprechender Organisationen. Doch auch Roger Kusch feiert die Pläne von FDP und Union als Sieg. Der Passus im Vertrag beziehe sich eben nicht auf organisierte Sterbehilfe im Allgemeinen - damit seien Vereine wie Dignitas auch in Deutschland weiterhin legal.

    ([URL="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,658688,00.html"]Spiegel Online[/URL])
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